Letztes Jahr am 8. März protestierte Together we are Bremen vor dem Bremer Innensenator, um Papiere für alle Babys zu fordern. Erinnert Ihr Euch? Hier findet ihr Eindrücke. Viele Feminist:innen unterstützten die Kämpfe für Geburtsurkunden und gegen die strukturell rassistischen Praxen von Standesamt und Migrationsbehörde. Dieses Jahr beschlossen wir, uns der Sterndemo anzuschließen, die vom f*streik Bündnis initiiert wurde. Wir schlossen uns mit unseren Schwestern von Alarmphone zusammen, denn “Solidarität ist unsere Stärke, die uns niemand stehlen kann”. So lautet auch der Titel des “Women and LGBTQI+ Report 2021” von Watch the med – Alarmphone. Lest den vollständigen Bericht hier. Als wir dem Vorbereitungskomitee beitraten, gab es bereits 5 Finger. Der Finger für Klimagerechtigkeit lud uns ein, uns ihnen anzuschließen, um die Kämpfe für Klimagerechtigkeit mit denen von Frauen zu verbinden, die Grenzen überwinden. Hier sind wir heute angekommen. Dorthin haben wir heute unsere Körper gebracht. Wir dokumentieren hier unsere Rede, die heute im Herzen des Sterns gehalten wird. Das Original der Rede in Englisch findet Ihr hier und eine Französische Version hier.
scream
Jasmin Kaur
so that one day
a hundred years from now
another sister will not have to dry her tears
wondering where in history she has lost her voice
Das Alarm Phone ist eine 24 Stunden Telefonhotline, die von Aktivist:innen in Afrika, dem Nahen Osten und Europa betrieben wird. Sie unterstützt Menschen, die auf der Flucht sind. Sie können anrufen, wenn sie das Mittelmeer überqueren.
Im Juni 2020, auf dem Meer zwischen der Türkei und Griechenland, kommt es zu einem Alarm Phone Einsatzsatz. Bei diesem Fall stehen die Frauen im Mittelpunkt der Aktionen.
Es ist 6.30 Uhr morgens, das Alarmphone (AP) erhält einen Notruf von einem Boot.
An Bord befinden sich 32 Personen, mehr als die Hälfte davon sind Frauen und es gibt 11 Kinder. Sie sind aus Afghanistan gekommen. Bei den Alarm Phone-Aktivist:innen, die im Einsatz sind, handelt es sich um 2 Frauen. Die Menschen an Bord übermitteln ihren GPS-Standort und bitten um Rettung und Asyl in Europa.
AP alarmiert sofort die griechische Küstenwache.
Um 7.30 Uhr morgens berichten die Menschen an Bord, dass ihr Boot von einem Schiff angegriffen wurde. Man habe ihnen den Motor gestohlen, sie geschlagen und gedroht, sie zu töten.
Eine Frau ist im 8. Monat schwanger, und um 5.30 Uhr nachmittags platzt ihre Fruchtblase. Sie bekommt Wehen.
AP ruft immer wieder die griechische Küstenwache an und bittet sie dringend, die Menschen zu retten, aber sie tun nichts. Und das, obwohl sich ihr Schiff in der Nähe des Bootes der Reisenden befindet.
Eine der Frauen an Bord hat schon einmal entbunden. Sie hilft der Frau, die zu gebären beginnt.
Die Alarm Phone Aktivist:innen rufen eine befreundete Hebamme an. Sie gibt ihnen am Telefon Ratschläge. Diese Ratschläge werden von einer anderen Aktivistin auf Farsi übersetzt. Alle diese Frauen unterstützen ihre gebärende Schwester von 5:30 Uhr morgens bis 10 Uhr abends.
Auch wenn Wasser in das Boot eindringt, auch wenn die Wellen höher werden, auch wenn Angst und Panik herrschen.
Spät in der Nacht werden die Menschen gerettet. Dank ihres starken Willens, dank der Solidarität zwischen Frauen auf demselben Boot und an beiden Enden einer Telefonleitung.
Viele derjenigen, die Grenzen überschreiten, sind Frauen, die ihren eigenen Ideen und Plänen folgen. Aber unterwegs zu sein, setzt sie besonderen Gefahren aus. Es gibt systematische Gewalt, wie z.B. sexualisierte Belästigung durch Schmuggler, durch Mitreisende, durch Polizisten, durch das Militär.
Frauen und queere Menschen tragen einen großen Teil zum Kampf gegen Grenzen bei. Sie sind es, die Strukturen aufbauen und am Laufen halten. Sie machen die Arbeit vor Ort.
Wir müssen Grenzen von allen Seiten bekämpfen. Zu jeder Zeit.
Together We Are Bremen ist ein Kollektiv von Aktivist:innen, das für Papiere für alle kämpft, gegen Abschiebung, für Häuser zum Wohnen, für Bildung und für ein Bleiberecht in Bremen.
Eine unserer Schwestern erzählt uns von ihrer Reise von Afrika nach Europa:
Es war eine schreckliche und schmerzhafte Reise. Bei der Durchquerung der Sahara, der Wüsten und des Mittelmeers konnten viele Menschen nicht überleben und starben, weil sie unter den Strapazen, dem Mangel an Nahrung, dem Mangel an Schutz und allem anderen litten. Einige von ihnen haben es geschafft und sind hier angekommen. Aber leider haben wir, obwohl wir angekommen sind, immer noch zu kämpfen, als ob wir gar nicht angekommen wären!
Wie kommen wir an? Wie können wir so akzeptiert werden, wie wir sind? Wie können wir unsere Hoffnungen, unseren Willen und unsere Grundbedürfnisse durchsetzen? Wie viel mehr noch müssen wir uns in die Mehrheitsgesellschaft einpassen? Wie viel mehr sollten wir uns verändern, um in einer bereits geschaffenen und praktizierten Struktur durchzugehen? Wie fordern wir diese Gesellschaft, wie fordern wir die herrschenden Strukturen und Regeln dieser Gesellschaft auf, uns so anzuerkennen, wie wir sind? Unsere eigenen Strukturen und Regeln so anzuerkennen, wie sie sind?
Auf der letzten Kundgebung sagte uns eine der Frauen aus der Housing-Struktur von Together we are Bremen für Papierlose:
Sie zwangen mich das Lager zu verlassen, Umverteilung!, mit meinen beiden Kindern, und mein Baby war gerade einen Monat alt, nach einer Geburt mit Operation.
Ihr Weißen seid nach Afrika gekommen, um uns alles zu nehmen, was uns gehört, habt uns mit nichts zurückgelassen, und jetzt kommen wir hierher, um zu überleben, und ihr sagt uns nein, ihr müsst gehen! Aber warum?
Wir bitten nicht, sondern fordern: Lasst uns hier bleiben, lasst uns bleiben und stoppt den Transfer, lasst uns bleiben, lasst uns bleiben, denn Black Lives Matter (“Schwarze Leben zählen!”)
Unter Berücksichtigung aller Unterschiede in Bezug auf unseren Papierstatus, unsere Klasse, unsere Bildung, unsere Hautfarbe, unsere Geschlechter, unser Alter und und und: Diejenigen, die angekommen sind, diejenigen, die den Kampf ums Bleiben gewonnen haben, diejenigen, die hier geboren wurden, mit Verbindungen zu Familien, die seit Jahren oder Generationen unterwegs waren. Wir alle leben in einer Gesellschaft, die uns nicht das Gefühl gibt, angekommen zu sein, wir leben in einer Gesellschaft, die uns jeden Tag und in jeder Situation daran erinnert: wir sind die Gesellschaft aus zweiter Hand, wir leben in einer Gesellschaft, die uns täglich daran erinnert: wir sind immer noch in Bewegung!