In den vergangenen Monaten hat das Jugendamt Bremen sich mehrfach entschlossen gewaltsame Maßnahmen anzuwenden, um minderjährige Geflüchtete aus dem Lager in der Steinsetzer Straße – einem Lager unter der Leitung der Inneren Mission – an Orte weit entfernt von Bremen “umzuverteilen”. Im Einvernehmen mit der Sozialsenatorin wurde die Polizei in den frühen Morgenstunden ins Lager gelassen. Die betroffenen Jungen waren während der gesamten Fahrt mit der Polizei in Handschellen gefesselt – einer von ihnen über Stunden, bis zur Ankunft in Brandenburg.
Entgegen Ihrem Schutzauftrag für die Jugendlichen in Ihrer Obhut, öffneten Sie, die Sie das Lager leiten (so, wie zuvor im Lager in der Gottlieb-Daimler-Straße), den Mitarbeitenden des Jugendamtes und der großen Gruppe aus Polizist*innen die Tür, damit diese den Jungen in Handschellen legen und ihn gegen seinen freien Willen fortschleppen konnten. Die anderen im Lager mussten dieses schreckliche Erlebnis mit ansehen und fragten sich, wer von ihnen wohl als Nächster dran sein würde.
Wütend über diese Geschehnisse, rief Together We Are Bremen zu einem Protest vor Ihrem Büro in der Blumenthalstraße auf, mit dem Slogan: Innere Mission, schämen Sie sich! Wir haben diesen Slogan gerufen, weil er eindeutig die hässliche Vorgeschichte Ihres Umgangs mit Geflüchteten in Bremen widerspiegelt – und weil Sie sich in diesem konkreten Fall so verhalten haben, als wären Sie selbst zugleich Polizei und Lagerleitung. Sie sollten jedoch daran erinnert werden, dass Sie Betreuer*innen für diese Jugendlichen sind und Ihr primärer Auftrag im Wohlbefinden und der Entwicklung der Selbstbestimmung dieser jungen Menschen liegt. Es ist schlicht unvorstellbar, dass Sie die Gewalt gegen die Jugendlichen, die Sie in Gänze unterstützt und mitgetragen haben, als Teil dieses Auftrages einordnen können. Sie müssen erkennen, dass eine Rechtsordnung, die Handschellen und Gewalt gegen Minderjährige vorsieht, obwohl diese weder eine Bedrohung noch eine Gefahr für irgendjemanden darstellten, nach allen Maßstäben falsch ist.
Fotos unseres Protestes am 04.02.20 vor der Inneren Mission:
Am 4. Februar haben Sie sich während unserer Proteste direkt vor dem Gebäude feige in Ihren Büros versteckt. Sie konnten nicht den Mut aufbringen, uns gegenüberzutreten und unsere Fragen zu beantworten oder herauszukommen, um Ihr abscheuliches Verhalten zu verteidigen. Stattdessen schrieben Sie am nächsten Tag eine beleidigende E-Mail, um Ihr Handeln zu rechtfertigen. In dieser E-Mail haben Sie die Vorfälle mit den Handschellen nicht einmal erwähnt. Sie beschwerten sich, dass wir uns gegen Ihr Verhalten kritisch zu Wort meldeten und eine faire Behandlung der jungen Schwarzen Geflüchteten forderten. Sie schrieben, dass in der Inneren Mission jede*r durchweg respektvoll, voller Einfühlungsvermögen und professionell mit den von Ihnen betreuten Jugendlichen umgehen würde. Dass Rassismus niemals Teil Ihrer Handlungen oder Strukturen sei. Außerdem haben Sie unsere Wortwahl korrigiert: Wir sollten die Steinsetzerstraße nicht als Lager bezeichnen.
Dies zeigt leider deutlich, dass das Führungs- und Kommunikationspersonal Ihrer Einrichtung der Inneren Mission die erste grundlegende Lektion in Sachen menschlicher Achtung und Anstand noch lernen muss: den Betroffenen zuzuhören, ihre Beschwerden ernst zu nehmen und nach bestem Wissen und Gewissen mit ihnen umzugehen. Es ist bekannt, dass es unter Ihren Mitarbeitenden einige gibt, die mit der Art und Weise, wie Sie mit den Jugendlichen und Geflüchteten in diesen Lagern umgehen, völlig unzufrieden sind. Gleichzeitig haben Sie eine große Anzahl an Mitarbeiter*innen, die damit beauftragt sind, Geflüchtete zu manipulieren und sie davon zu überzeugen, dass es dort, wo sie hin umverteilt werden, besser sei als in Bremen – was in den meisten Fällen eindeutig falsch ist. Vor zwei Jahren drängten Ihre Mitarbeiter*innen einige dieser Minderjährigen aktiv in das Asylsystem oder nötigten sie, die Umverteilungen zu akzeptieren und Bremen zu verlassen. Indem Sie ihre Ausgrenzung aus dem Sozialsystem gefördert haben, wurden viele der Jugendlichen auf die Straße und in die Obdachlosigkeit gedrängt.
Zudem scheint es mehr Interesse daran zu geben, Ihr öffentliches Image aufzupolieren, als sich mit den stichhaltigen Beschwerden auseinanderzusetzen, dass Ihre Institution Rassismus und Gewalt gegen Minderjährige und Geflüchtete in Bremen reproduziert.
Unser Brief soll Ihnen noch einmal Gelegenheit geben, sich anzuhören, was wir, die wir in der Steinsetzerstraße leben mussten; wir, die wir unter den unmenschlichen Bedingungen Ihres Lagers in der Gottlieb-Daimler-Straße und anderen Lagern in Bremen leiden und ausharren mussten; wir, die wir von UMVERTEILUNGEN bedroht sind, und wir, die wir weiterhin unter dem RASSISMUS Ihrer Einrichtung leiden, über die Situation denken.
Es geht nicht nur um die zwangsweise und gewaltsame Umverteilung dieser Jugendlichen, obwohl dies den Höhepunkt Ihres Mangels an Verantwortung und guter Arbeitsmoral darstellte für eine Institution, die mit jungen Menschen arbeitet. Wir werden auch auf die schlechten Bedingungen in Ihren Einrichtungen aufmerksam machen, die vom Essen bis zu den überfüllten Räumen reichen. Die Mahlzeiten, die Sie den von Ihnen betreuten jungen Menschen servieren, sind sehr dürftig und nicht geeignet zum menschlichen Überleben. Wir haben gesehen, dass Sie es versäumt haben, die Ansprüche und Bedürfnisse der von Ihnen betreuten jungen Menschen ernst zu nehmen, da deren Beschwerden über das miserable und routinemäßig servierte Abendessen unbeachtet blieben. Mit bis zu vier Personen in einem Raum sind ihre Einrichtungen überfüllt. Der Mangel an Privatsphäre aufgrund dieser Überbelegung ist ein Problem in Ihren Einrichtungen. Es ist kein Wunder, dass Ihre Einrichtungen als LAGER bezeichnet werden, denn sie fühlen sich an und riechen wie LAGER. Was sonst noch? Sie behandeln normale Menschen wie Lagerbewohner!!! Aber wir wollen nicht, dass unsere Jugend und unsere Leben in Ihren Lagern zerstört werden, also schafft die Lager jetzt ab. Die Unternehmen hinter dem Lager machen in den frühen Morgenstunden viel Lärm, der die Ruhe stört und es für die meisten Bewohner schwer macht, wirklich erholsamen Schlaf zu finden. Sie haben es versäumt, darauf einzugehen, und sich nie darum gekümmert, weil Sie selbst in Ihren komfortablen Häusern mit ungestörtem Schlaf leben.
Es ist eine extrem besorgniserregend, dass mehrere staatliche Institutionen in die Verletzung der Rechte dieser Minderjährigen in Bremen verwickelt sind. Dass solch ein Zusammenschluss tödlich sein kann, haben wir vor Jahren bei der Ermordung von Laye Condé gesehen. Aktuell sehen wir hier leider die Mitwirkung der Polizei, der Politiker*innen, der Sozialsenatorin und des Jugendamtes, die in der Inneren Mission eine sehr bereitwillige Komplizin finden. Die fragwürdige und unkluge sogenannte medizinische Untersuchung und Altersbestimmung von Minderjährigen zusammen mit den gewaltsamen Umverteilungen gefährden das Wohl dieser Minderjährigen. Das alles kann retraumatisierend sein, wie verschiedene Fachberichte und Organisationen – darunter auch Ihre Dachorganisation Diakonie – aufgezeigt haben. Und dennoch haben Sie sich entschlossen, an all dem nicht nur beteiligt zu sein, sondern es aktiv zu unterstützen. Ja, Innere Mission, Schande über Sie!
Und was die Sozialsenatorin betrifft, die sich damit rühmt, einen Preis für ihren Umgang mit Geflüchteten in Bremen gewonnen zu haben, und die es dennoch zulässt, dass 6-7 Erwachsene in einem einzigen Raum ohne Fenster im Lager Lindenstraße untergebracht werden: Ihre Unterstützung für all dies ist kaum verwunderlich. Ihre Liebe zu den Lagern ist nach der Leitung des Lagers Gottlieb-Daimler-Straße eine fortdauernde. Die einzige Frage ist, ob sie es zulassen würde, dass ihre eigenen Kinder so behandelt werden? Oder ist das einfach in Ordnung, weil dies die Anderen sind? Dreimal dürfen Sie raten!
Wir von Together We Are Bremen bleiben den folgenden Forderungen verpflichtet: Der Ungerechtigkeit die Stirn bieten – Alle Lager schließen – Keine weiteren Umverteilungen und wir verlangen Wohnraum und Zugang zu Bildung für alle. Wir rufen Bremen dazu auf, wirklich eine Solidarische Stadt und ein sicherer Hafen zu sein, und nicht nur dem Namen nach!
Zu Hintergründen und Presseberichterstattung:
Flüchtlingsrat Bremen: Jugendamt lässt Handschellen anlegen (Pressemitteilung 15.01.20)
taz (16.01.20): Kindeswohlgefährdung in Bremen: Jugendliche in Handschellen
Weser-Kurier (16.01.20): Flüchtlingsrat kritisiert Bremer Jugendamt
taz (05.02.20): Protest gegen Innere Mission
Weser-Kurier (13.02.20): Abtransport minderjähriger Geflüchteter in Handschellen in Kritik
taz (15.02.20): Gewalt als Ultima Ratio